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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 9 W 100/07
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 246 a
Ein Freigabeverfahren nach § 246 a AktG ist auch dann zulässig, wenn die Gesellschaft selbst vor Ablauf der Anfechtungsfrist für Klagen gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung die Eintragung des Vertrages im Handelsregister beantragt hat und diese Eintragung vorgenommen worden ist.
9 W 100/07

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 27. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die (sofortige) Beschwerde der Antragstellerin vom 1. August 2007 wird der auf die Verhandlung vom 4. Juli 2007 ergangene Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover - mit Ausnahme der die Antragsgegner zu 5. und 8. betreffenden Kostenentscheidung - aufgehoben. Die nunmehr erforderliche Sachentscheidung wird dem Landgericht Hannover übertragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Wert für die Beschwerdeinstanz: 180.000 EUR.

Gründe:

Die nach § 246 a Abs. 3 S. 3 AktG statthafte und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Freigabeantrag vom 7. Mai 2007 ist nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlte, nachdem sie selbst vor Ablauf der Anfechtungsfrist für Klagen gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung die Eintragung des Vertrages im Handelsregister beantragt hat und diese Eintragung vorgenommen worden ist. (1.). Die Entscheidung des Landgerichts war deshalb aufzuheben (2.).

1. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als sich die Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses wendet. Freigabeanträge nach § 246 a AktG sind auch nach der Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses nach § 293 Abs. 1 AktG im Handelsregister zulässig.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich dem Wortlaut des § 246 a AktG nicht entnehmen, der Freigabeantrag setze voraus, dass der Beschluss der Hauptversammlung noch nicht eingetragen sei. Die Gesetzesmaterialien sprechen für die Zulässigkeit von Anträgen noch nach der Eintragung. nach der Regierungsbegründung soll es "nicht ausgeschlossen" sein, die Freigabeentscheidung auch dann noch zu beantragen, wenn der Hauptversammlungsbeschluss bereits eingetragen ist (RegE UMAG, BTDrucks. 15/5092 v. 14.03.2005, S. 27 r. Sp.). Diese Möglichkeit liegt auch nach dem Text des § 246 a Abs. 1 AktG nahe, weil die (weitere) Rechtsfolge der Entscheidung, dass "Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen", unabhängig davon eintreten kann, ob der Antrag der Gesellschaft der Eintragung vorausgeht oder nachfolgt. Auch nach einer Eintragung besteht jedenfalls das Interesse der Gesellschaft, gerade diese Wirkung herbeizuführen und z. B. eine Rückabwicklung von Strukturmaßnahmen - etwa nach Löschung der Eintragung gem. § 144 Abs. 2 FGG - zu verhindern, auch wenn die im Hauptsacheverfahren erhobene Klage Erfolg hätte. Der mit dem Freigabebeschluss - über die Aufhebung einer (faktischen) Registersperre hinaus - im Sinne der genannten weiteren Rechtsfolge verbundene Bestandsschutz wird durch die bloße Eintragung gerade noch nicht erreicht (Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974 f.. Veil, AG 2005, 567, 573. Kort, BB 2005, 1577, 1581).

Deshalb ließe sich der Freigabeantrag nur dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig halten, wenn der Regelung zu entnehmen wäre, dass Eintragungsantrag und Freigabeantrag als sich jeweils ausschließende Handlungsmöglichkeiten zu qualifizieren sind. Dagegen spricht allerdings schon, dass dann gleichsam "durch die Hintertür" eine Registersperre eingeführt würde, die bei der Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen über Unternehmensverträge gerade nicht vorgesehen ist, weil (anders als etwa nach § 319 Abs. 5 AktG) eine sog. Negativerklärung nicht verlangt wird. Ein solches Verständnis setzte auch voraus, dass die Gesellschaft, die - gerade im Hinblick auf die Bestandskraft - ein Interesse an einem Freigabeverfahren hat, zunächst wartet, ob eine Klage gegen den Beschluss erhoben wird. Das mag für die bei Anfechtungsklagen geltende Monatsfrist noch hingenommen werden, führte indes zu einem nicht hinnehmbaren Schwebezustand, wenn ein Freigabeverfahren deshalb vorerst nicht durchzuführen wäre, weil noch mit einer erst geraume Zeit später zu erhebenden (vgl. § 242 Abs. 2 AktG) Nichtigkeitsklage gerechnet werden müsste (Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum Regierungsentwurf UMAG, NZG 2005, 388, 393). Der Umstand, dass in der Hauptversammlung bereits konkrete Einwendungen erhoben worden sind, die Gesellschaft also mit der Erhebung von Anfechtungsklagen rechnen musste, erscheint nicht als hinreichend praktikables Kriterium, um das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses anzunehmen oder abzulehnen. Im Übrigen ist gerade für diese Fälle die vom Landgericht benannte "Doppelbeanspruchung" gerichtlichen Individualrechtsschutzes nicht erkennbar. es handelte sich lediglich um eine zeitliche Verschiebung. Der Senat ist daher mit der bisher zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung, die entweder einen Freigabeantrag bei schon erfolgter Eintragung für ausdrücklich zulässig hält (LG Berlin, Beschluss vom 3. Mai 2007, Az.: 93 O 187, S. 20 f. i ZIP 2007,1997 f.), oder dies wenigstens stillschweigend annimmt (OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2007, Az.: 18 W 71/06. LG München I, BB 2006, 459), sowie der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum - mit der das Landgericht sich nicht auseinandergesetzt hat - (Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974 f.. Veil, AG 2005, 567, 573. Kort, BB 2005, 1577, 1581. s. a. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2005, 388, 393. a. A.. Schütz, NZG 2005, 5, 9. Heidel, Aktienrecht, § 246 a Rdnr. 2) der Auffassung, dass die Gesellschaft aufgrund der Eintragung nicht gehindert ist, ein Freigabeverfahren nach § 246 a AktG zu initiieren, weil sich mit der Freigabe die Rechtswirkung der Eintragung ändert und sie danach den erwähnten Bestandsschutz genießt. Damit wird auch dem vom Freigabeverfahren verfolgten Ziel Rechnung getragen, dem Druck und Missbrauchspotential von Anfechtungsklagen zu begegnen, welches auch im Hinblick auf eine u. U. drohende Rückabwicklung einer Strukturmaßnahme oder Kapitalerhöhung besteht (vgl. dazu Ihrig/Erwin a. a. O., 1974).

2. Da der Freigabeantrag nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussicht in materieller Hinsicht. Der Senat sieht von einer eigenen Entscheidung in der Sache ab. Die Beschwerde, die sich gegen die Zurückweisung des Antrags mangels Rechtsschutzbedürfnisses wendet - allein diese Frage war Gegenstand des Beschwerdeverfahrens , ist insofern im Sinne des § 572 Abs. 3 ZPO begründet. Werden danach, also nach der Beseitigung der mit der angefochtenen Entscheidung verbundenen Beschwer, weitere Entscheidungen in der Sache ("Anordnungen" i. S. v. § 572 Abs. 3 ZPO) erforderlich, so können diese dem Ausgangsgericht übertragen werden, wovon der Senat Gebrauch macht. Dies verlangt hier auch die Regelung in § 246 a Abs. 1 AktG, nach der das "Prozessgericht" festzustellen hat, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Die Entscheidung über eine solche Feststellung steht noch aus. sie ist vom Landgericht zu treffen, das bereits mit dem Hauptsacheverfahren befasst ist und dem deshalb nach dem prozessökonomischen Sinn der Regelung die Sachentscheidung zunächst vorzubehalten ist.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Landgericht - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - in der Sache selbst neu zu entscheiden hat. Nach dieser Entscheidung richtet sich auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die vom Landgericht zu treffen ist.

4. Hinsichtlich der Frage, ob ein Freigabeantrag noch nach der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses zulässig ist, war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. diese Frage ist von rechtlich grundsätzlicher Bedeutung und erheblicher praktischer Tragweite und - soweit ersichtlich - höchstrichterlich bisher nicht entschieden (§ 574 Abs. 3 S. 1 ZPO i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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